Maurice van Tellingen
DIE WAHRHEIT LIEGT IM MODELL
Solo exhibition
DIE WAHRHEIT LIEGT IM MODELL
KUNST UND/IM/AM BAU (3)
20. Oktober 2020 - 13. November 2020
Kuratiert durch Dr. Simone Kraft
Architekturschaufenster e.V.
Waldstraße 8, 76133 Karlsruhe DE
DIE WAHRHEIT LIEGT IM MODELL
Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt – frei nach Astrid Lindgren. Oder ist es andersherum?
Wir schaffen uns eine Außenhülle aus Gegenständen, Objekten und Architektur, in und mit denen wir existieren. Ohne diese wäre unser alltägliches Leben, Überleben nicht möglich.
Womit umgeben wir uns? Was für eine „Außenhaut“ umgibt uns? Wie prägt sie uns?
Die reliefartigen Modelle des niederländischen Künstlers Maurice van Tellingen lassen uns – Guckkasten ähnlich – auf Ausschnitte ganz alltäglicher Szenerien blicken. Ein Garagentor, der Gehweg, zweckmäßigste Interieurs, ganz so, wie sie uns an jeder Ecke begegnen könnten, ganz so, wie wir sie dutzendfach tagein, tagaus übersehen.
Unsere Umgebung spiegelt, wer wir sind, sagt van Tellingen. In seinen Objekten spürt der Künstler der conditio humana nach – wir sind, wie, womit und worin wir leben. Seine Modelle sind menschenleer, die menschliche Gegenwart ist jedoch stets inhärent. Die faszinierend detailreich gearbeiteten Objekte wirken nüchtern und sachlich, und doch scheint die Stimmung auf der Kippe zu stehen, ist eine Anspannung zu spüren, eine unheimliche, fast trostlose Wirkung entfaltet sich. Welche Geschichte lauert hinter dem leicht geöffneten Garagentor, wer hat die Spuren auf dem Gehsteig hinterlassen, was ist passiert in den Innenräumen?
Zugleich fordern van Tellingens Objekte die perspektivische Wahrnehmung heraus. Wie sehen wir Räume „richtig“, wie sehr lassen wir uns von der gewohnten Blickrichtung leiten?
- © Dr. Simone Kraft
Grußwort
Sehr geehrte Besucherinnen und Besucher,
herzlich willkommen zur Eröffnung der Ausstellung „Die Wahrheit liegt im Modell“ von Maurice van Tellingen im Rahmen der Reihe „Kunst und/im/am Bau“. Eine persönliche Anwesenheit ist mir leider nicht möglich, aber ich möchte zumindest in dieser Form Präsenz zeigen und mein Grußwort an Sie richten. Eine freie, künstlerische Auseinandersetzung mit Architektur ermöglicht unbegrenzte Möglichkeiten, die gebaute Umwelt neu zu denken. Die von Dr. Simone Kraft kuratierte Ausstellungsreihe „Kunst und/im/am Bau (3)“ untersucht Fragen wie „Warum machen Architekten Kunst?“ und „Warum setzen sich bildende KünstlerInnen mit Architektur auseinander?“. Damit einher geht die Einladung, sich in der Architektur mit Fragestellungen jenseits der tradierten akademischen Pfade zu beschäftigen und andere Herangehensweisen zu erforschen.
Der niederländische Künstler Maurice van Tellingen beschäftigt sich mit dem Themenkomplex Kunst, Architektur und Stadt. Mit seiner aktuellen Ausstellung „Die Wahrheit liegt im Modell“ wird die menschliche Existenz, die sich mit einer Außenhaut von Objekten, Gegenständen und Architektur umgibt, erkundet und ausschnitthaft gezeigt. Die Betrachterin und der Betrachter begeben sich dabei auf eine interessante Spurensuche: In einer dreidimensionalen Umgebung werden Beziehung und die Bedeutung der Umgebung für das gegenwärtige Sein und Handeln erkennbar.
Karlsruhe eignet sich für diese Ausstellung als Ort besonders gut. Die Bautätigkeit verschiedenster Baumeister der Stadtgeschichte hat sich seit ihrer Gründung im Jahre 1715 in zahlreichen Stilen niedergeschlagen. Friedrich Weinbrenner, Vertreter des Klassizismus und Gründungsvater der Karlsruher Polytechnischen Schule, entwarf zahlreiche Wahrzeichen der Stadt, etwa das Rathaus, die Evangelische Stadtkirche, die Katholische Pfarrkirche St. Stephan wie auch die Pyramide auf dem Marktplatz. Später, um 1900, wurde Karlsruhe zu einem der bedeutendsten Jugendstilzentren Deutschlands. Im 20. Jahrhundert wurden ganze Stadtviertel als Spielwiese neuer Architektur- strömungen entworfen, wie zum Beispiel die Gartenstadt und die
Dammerstocksiedlung, welche unter der Oberleitung des Bauhaus-Gründers Walter Gropius entstand.
Bis heute dient Karlsruhe sowohl örtlichen ArchitektInnen als auch externen DenkerInnen als Nährboden für gebaute Kreativität. Blickt man auf die Zahlen der aktuell Studierenden an der Fakultät für Architektur am KIT, schneidet Karlsruhe mit ca. 830 Studierenden (Stand Sommersemester 2020) zukünftigen ArchitektInnen bundesweit sehr gut ab. Mit der Fakultät für Architektur am KIT bündelt Karlsruhe neben stadtplanerischer Expertise und technischem Know-how auch gestalterische Kreativität auf hohem Niveau. Auch die Förderung im Bereich Kunst und Architektur wird in Karlsruhe groß geschrieben. So gab sich Karlsruhe schon 1981 eigene Richtlinien für die Beteiligung bildender KünstlerInnen an Bauvorhaben und an der Gestaltung des öffentlichen Raumes. Kunst am Bau trägt maßgeblich zu Qualität und Aussage von Gebäuden bei und ist zudem ein wichtiges Instrument der Förderung bildender KünstlerInnen, indem gleichzeitig Architektur mit der künstlerischen Intervention von KünstlerInnen neu verhandelt werden kann.
Die Ausstellung Maurice van Tellingens greift gekonnt diesen Punkt der Neuverhandlung auf, indem sie uns als Besuchende dazu auffordert, die eigene gewohnte Wahrnehmung zu verlassen, sich auf die Geschichten einzulassen, die sich hinter einem Objekt, Gegenstand oder der Architektur verbirgt und sich dabei nach der eigenen Existenz, Lebensform und Zukunft zu fragen.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, verehrte Besucherinnen und Besucher, eine spannende Entdeckungsreise und Spurensuche auf dem Spielfeld der Architektur in dieser bemerkenswerten Ausstellung Maurice van Tellingens. Bedanken möchte ich mich beim Verein Architekturschaufenster, namentlich bei Frau Dr. Kraft, die mit großem Einsatz die Realisierung der Ausstellung – trotz der Corona-bedingten Hürden – ermöglicht hat. Mein Dank geht auch an die Architektenkammer Baden-Württemberg, die Botschaft des Königreichs der Niederlande und die Galeristin Petra Nostheide-Eycke, ohne deren tatkräftigen Einsatz die Ausstellung nicht möglich gewesen wäre.
Dr. Albert Käuflein Bürgermeister
Die Ausstellung wird unterstützt durch
Architektenkammer Baden-Württemberg
Stadt Karlsruhe, Kulturamt|Kulturbüro